Die MIT Breisgau-Hochschwarzwald informierte in einer Veranstaltung zu Fragen von Unternehmensnachfolge bzw Existenzgründung die jetzt immer breiteren Raum einnehmen. Referenten waren der Leiter der GB Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK Südlicher Oberrhein, Michael Bertram, sowie der Freiburger Rechtsanwalt und Vor-standsmitglied der MIT, Norbert Müller. Der stellvertretende Kreisvorsitzende des Mitte-standsvereinigung MIT Breisgau-Hochschwarzwald, Thomas Schätzle, begrüsste die jun-gen und älteren Mittelständler sowie auch den langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten und jetzigen Kandidaten des Wahlkreises 46, Herrn Dr. Klaus Schüle.
Michael Bertram zeigte zunächst aus seiner vielfältigen Erfahrung als Leiter der für Be-triebsnachfolge und Existenzgründung zuständigen Abteilung der IHK, dass laut Institut für Mittelstandsforschung von 2014 bis 2018 über 135.000 Mittelsztand-Unternehmen zur Be-triebsnacfolge anstehen - mit weiter steigender Tendenz. Im Bereich der IHK Südlicher Oberrhein betrifft dies nach aktueller Sonderauswertung der Mitgliederdaten 6.866 Unter-nehmen mit bis 200 Beschäftigten, deren Geschäftsführer 55 Jahre oder älter sind.
Dem aufgezeigten Handlungsbedarf trägt die IHK Südlicher Oberrhein durch kompetente Beratung und Begleitung in Fragen der Unternehmensnachfolge Rechnung. Sie bietet ihren Mitgliedern folgenden Leistungen im Bereich Unternehmensnachfolge an:
- Über die verfügbaren Börsen (Wirtschaft im Südwesten sowie Internetportal nexxt-change) werden kostenlose Inserate zur entsprechenden Suche nach Betrieben oder Nachfolgern eingestellt, verwaltet und zusammengeführt.
- Die IHK begleitet auf Wunsch die Erstgespräche/Matching-Gespräche als „neutrale Stelle“.
- Abgebende Unternehmen und potentielle Nachfolger erhalten auf Wunsch analog zur Gründungs- oder Förderungsberatung auch Beratung zu nachfolgerelevanten Themen sowie ggf. Zuführung zu Beratungsförderprogrammen. Gleichzeitig halten wir entspre-chendes Informationsmaterial vor.
- Die IHK unterstützt bei der Vorbereitung von abgebenden Unternehmen für die Über-gabe im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe. Analog werden Nachfolger bei der Existenz-gründung durch Betriebsübernahme unterstützt.
- In Abstimmung mit dem GB Recht und Steuern können im Rahmen der IHK juristische Fragestellungen mit den Interessenten besprochen werden.
- Regelmäßige Informationsveranstaltungen mit nachfolgerelevanten Themen, aktuell: Unternehmensnachfolge im ländlichen Raum in Titisee-Neustadt am 22.07.2015 (in Kooperation mit der IHK Hochrhein-Bodensee und der IHK Schwarzwald-Baar-Heu-berg)
Die IHK Südlicher Oberrhein ist somit der Ansprechpartner zur Orientierung in allen Phasen der Unternehmensnachfolge mit dem Ziel Erhalt und Ausbau bestehender Arbeitsplätze.
Im anschließenden Referat des Freiburger Rechtsanwaltes Norbert Müller, zeigt dieser aus seiner langjährigen Tätigkeit für mittelständische Unternehmen die zunehmende Erschwe-rung für Betriebsnachfolger oder Existenzgründer auf, aus Maßnahmen des Gesetzgebers, die seit langem Gegenstand öffentlicher Diskussion sind. Er verwies hierbei nochmals aus-drücklich, dass nicht der Mindestlohn von € 8,50 aus dem letzten Gesetz das Problem ist sondern die zusätzlichen Kosten im Personalbereich zur Erfüllung der Dokumentations-pflicht über geleistete Arbeitsstunden, was so manchen Mittelständler überfordert.
Gesondert ging der Referent auf eine Erschwerung von Betriebsnachfolge oder Existenz-gründung ein, die nicht durch den Gesetzgeber veranlasst ist sondern durch Entwicklung der Rechtsprechung der Sozialgerichte zu § 7 SGB IV, von der Öffentlichkeit nahezu unbe-merkt.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist Sozialversicherungspflicht gegeben, wenn "Beschäfti-gung in einem Arbeitsverhältnis" vorliegt und "der Beschäftigte Weisungen des Weisungs-gebers befolgen" muss und er in dessen "Arbeitsorganisation eingegliedert" ist.
Anhand eines konkreten Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 25.03.2015 im Rahmen von Betriebsnachfolge, zeigte der Referent, dass eine Betriebsübergabe an mehr als zwei Nachfolger oder eine Existenzgründung mit mehr als einem Gründer, die Existenz des Be-triebes vernichten kann. In diesem Fall betraf es einen Geschäftsführer einer GmbH mit einem Anteil von 40%, der vom Tag der Gründung im Jahr 2009 an nicht nur alleinvertre-tungsberechtigt war, sondern nach den Bestimmungen des GmbH-Gesetzes und des Ge-sellschaftsvertrages über eine Sperrminorität verfügt, wonach gegen seinen Willen er nie-mals als Geschäftsführer abberufen werden kann, dass gegen seinen Willen niemals ein weiterer Geschäftsführer bestellt werden kann sowie dass gegen seinen Willen in der Ge-sellschafterversammlung keine unternehmerische Entscheidung getroffen werden kann. Dieser Unternehmer wurde als Arbeitnehmer im Sinne des Rentenrechts und der Arbeits-förderung eingestuft, da er nicht Gesellschafter zu einhalb oder mehr ist. Das hätte vernich-tende Folgen für den Handwerksbetrieb. Dieser müsste mit Nachzahlungen in die Sozial-versicherung von über 100.000,00 € rechnen, würde dieses Urteil rechtskräftig werden. Ge-gen das Urteil ist Berufung eingelegt.
Der Referent zeigte mit Zitaten dem Auditorium, dass dieses Urteil nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleitet ist sondern von der Ideologie geprägt, Betriebsnachfolger oder Existenzgründer als "Rentenflüchtling" zu sehen, der der Sozialversicherungspflicht zuge-führt werden muss.
Diese Rechtsprechung betrifft nicht Großunternehmen oder Konzerne sondern ausschließ-lich den Mittelstand. In Ansehung der hierdurch verursachten Folgelasten erklärte der Refe-rent, dass dies ein schlimmes Signal an alle junge Menschen ist, die sich dem Wagnis selb-ständiger Existenzgründung oder der Übernahme eines Betriebes als Nachfolger stellen wollen und appellierte an die Politik solche Veränderungen wahrzunehmen und entgegen zu steuern. Die anschließende lebhafte Diskussion mit den Referenten zeigte, dass solches dringend notwendig ist.
Norbert Müller
Pressespreche